Eine Melodie ist es, die Giuseppe Verdis «Nabucco» seit über 150 Jahren in den Spielplänen der Opernhäuser hält. Zugleich war diese zarte, sehnsuchtsvoll beginnende und sich ins verheißungsvolle Forte steigernde Melodie der Beginn der Karriere des Opemkomponisten Verdi. Auf diesen Moment warteten an zwei Abenden mehrere tausend Zuhörer von Anbeginn an.
Ab 19 Uhr strömten diejenigen, die eine Karte ergattert hatten. Mehr oder weniger mit Pullovern, Sitzkissen und Decken gegen den kalten Wind ausgerüstet, mußten sie Karten- und Sicherheitskontrollen überstehen. Nach langem Suchen fand man seinen Sitzplatz inmitten wohlgelaunter und neugieriger Menschen: «Nabucco» in Speyer, wann gab es das schon?
Die außergewöhnliche Atmosphäre dieses Abends war dem Ort des Geschehens zu verdanken. Der Platz vor dem Dom, gleichsam Anstieg zum Allerheiligsten, war die Spielstätte für die Akteure und Raum für die Zuhörer und bot die Möglichkeit, sich in den Pausen zu erfrischen.
Vor dem dritten Akt, die Nacht verbreitete langsam, aber unerbittlich Dunkelheit und Kühle, nutzten Zuhörer und Aufführenden die Möglichkeit zur Erholung. Nahmen die einen vor den Theken mit Getränken und Speisen eine nicht unbeträchtliche Wartezeit in Kauf, setzten sich die anderen nieder, verschnauften von den Anstrengungen der ersten beiden Akte.
Denn jetzt kam der große Augenblick. Die Andeutung, die in der Ouvertüre vernommen wurde, erklang: «Va, pensiero, sull’ali dorate» - «Flieg, Gedanke, auf goldenen Flügel». Der Freiheitsgesang der gefangenen und erniedrigten Juden in Babylon hob leise an; so manchen hielt es da nicht zurück: er summte und sang gar leise diese Melodie mit.
Die Hoffnung, die diesem Chor innewohnt, zeichnete der Bühnenbildner Daniele Paolin nach, indem er die vor das Eingangsportal gebaute Bühne mit immer heller werdendem Licht ausleuchtete und sogar die Rosette der Westseite integrierte. Dieser gelungene Gesamteindruck von Bild und Musik animierte das Publikum zu spontanem Beifall, der zudem den ausgewogen klingenden Chor belohnte.
Das Besondere des Bühnenbilds bestand in der Verschmelzung von Dom und Aufbau, der in sinnvoller Weise Elemente der Fassade aufnahm und sie in wirkungsvoller Weise ergänzte. Die Lichtregie kam erst ab beginnender Dunkelheit zur Geltung. Die Akustik dieser Open- Air-Aufführung war durch eine meist gelungene Tontechnik gewährleistet. Schwierigkeiten, die so manchen Zuhörer erschreckten, bereitete ab und an die angemessene Mischung aus Originalklang und elektronischer Verstärkung.
Am Ende dieser denkwürdigen Aufführung wurde den Ausführenden begeisterter Applaus zugedacht.